Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der ungenügenden Verpackung einer transportierten Ware

OLG Koblenz, Beschluss vom 28.3.2011 – 2 U 1296/09

Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der ungenügenden Verpackung einer transportierten Ware

Entscheidungsgründe:

I. Die Bekl. verkaufte 20.000, jeweils in einem weißen Pappkarton verpackte Kunststoffbecher mit dem Aufdruck »Europameisterschaft«. Die Ware sollte an 600 Verkaufsstellen weitergeleitet und dort in der weißen Einzelverpackung an Kunden vor und während der Fußball-EM 2008 als Zugabe verteilt werden. Mit Frachtofferte vom 14. Februar 2008 bot die Kl. der Bekl. unter Hinweis auf die ADSp den Transport der 5.420 Kilogramm schweren, in 834 Kartons zu je 24 Bechern verpackten Ware im Luftweg unter Verladung im Sammeltransport an. Das Angebot wurde von der Bekl. angenommen und der Transport sodann von der KL im April 2008 durchgeführt. 200 Kartons wurden während des Lufttransports durchnässt und beschädigt. Die Ware von zwei Paletten wurde auf einem Colli gebündelt. Die Fracht der Kl. kürzte die Bekl. um 7.212,69 €.

Die Kl. hat vorgetragen, ihre Haftung sei entsprechend Artikel 22 Abs. 3 des Montrealer Übereinkommens auf 798,70 US-Dollar beschränkt, da Sonderziehungsrechte nur für 300,54 Kilogramm geltend gemacht werden könnten (0,271 Kilogramm pro Becher x 1.109 allenfalls beschädigte Becher). Der Schaden beruhe auf einer ungenügenden Verpackung. Der Bekl. sei es gemäß § 242 BGB versagt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, da sie es der Kl. nicht ermöglicht habe, den Schaden gegenüber der Airline rück abzuwickeln.

[…]

Die Bekl. ist der Klage entgegengetreten und hat vortragen, sie habe die Ware an einen Großhändler, die Firma A veräußert, diese wiederum an ihren Endkunden, die Firma B. Diese habe mit dem Empfang der Ware die Firma C beauftragt. Aufgrund des desolaten Zustandes habe der Endkunde zutreffend darauf bestanden, dass die Ware zu 100% überprüft werde. Insoweit seien pro Becher Kosten von je 22 Cent netto angefallen. 2.000 der aussortierten Becher seien erneut überprüft worden, um zur Schadensminimierung die beschädigten Teile so weit wie möglich zu funktionsfähigen Teilen zusammenzusetzen. 1.109 Becher seien schließlich unbrauchbar gewesen. Die Firma A habe der Firma C die Kosten der Schadensabwicklung in Höhe von 4.840,00 € netto erstattet und der Bekl. ebenso wie die Kosten für den Rücktransport der 1.109 aussortierten Becher in Höhe von 285 € netto in Rechnung gestellt. Die Rechnung in Höhe von 6.140,40 € brutto inklusive 35,00 € Verpackung (Handling) habe die Bekl. der Firma A erstattet. Ferner sei von der Firma A der Kaufpreis für die endgültig aussortierten 1.109 Becher in Höhe von 562,93 € nicht bezahlt worden Schließlich seien bei der Bekl. für diese 1.109 Becher Entsorgungskosten in Höhe von 509,36 €, insgesamt ein Schaden in Höhe von 7.212,69 € entstanden.

Widerklagend hat die Bekl. beantragt, die Kl. zu verurteilen, an sie 7.212,69 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das Landgericht hat die Bekl. verurteilt, an die Kl. 7212,69 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2008 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 555,60 € zu zahlen. Auf die Widerklage ist die Kl. verurteilt worden, an die Bekl. 6.703,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 7. Mai 2009 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage ist abgewiesen worden.

Mit der Berufung erstrebt die Kl. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Widerklage.

II. Die Berufung der Kl. hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Kl. auf die Widerklage unter Zurückweisung der Widerklage im Übrigen verurteilt, an die Bekl. Schadensersatz in Höhe von 6.703,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. 5. 2009 zu zahlen.

Der Bekl. und Widerklägerin steht gegenüber dem Kl. ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 18 Abs. 1 des Mautrealer Übereinkommens über die Beförderung im Internationalen Luftverkehr vom 28. 5. 1999 bzw. aus der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 425 Abs. 1 HGB zu. Danach haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung von Gütern entstanden ist, wenn das Ereignis während der Luftbeförderung eingetreten ist.

§ 425 HGB erstreckt die Haftung darüber hinaus in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist. Das Mautrealer Übereinkommen ist für alle Luftbeförderungen zwischen 2 Vertragsstaaten, hier China und Deutschland, anwendbar (Koller, Transportrecht, 6. Auf!., Art. 1 MÜ Rn. 4).

Das Landgericht hat unstreitig angenommen, dass 200 der transportierten 834 Kartons beim Transport beschädigt worden sind. Dies wird von der Berufung der Kl. ohne Erfolg angegriffen. Die Kl. hat zum einen gegen diese tatbestandliehen Feststellungen keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt, so dass das jetzige Bestreiten verspätet ist (§ 531 Abs. 2 ZPO), zum anderen ergibt sich aus der Frachtschadensfeststellung, dass 200 der 834 Kartons beschädigt worden sind. Soweit die Kl. argumentiert, dass zumindest aus der Beschädigung der 200 Kartons nicht geschlossen werden könne, dass auf Grund des Feuchtigkeitsschadens der Kartons zwangsläufig deren Inhalt wertlos sei, steht dies in Widerspruch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Zeuge D, Leiter des Vertriebsinnendienstes der Bekl., hat hierzu bekundet, dass die Ware in einem desolaten Zustand gewesen sei. Zum einen seien die Einzelverpackungen der Becher völlig vermatscht, zum anderen die Becher zerbrochen gewesen. In einzelnen Kartons hätten auch Teile gefehlt. Der Zeuge D hat bestätigt, dass 1.109 Becher vom Kunden zurückgeliefert worden waren und mit Ausnahme von 7 Kartons a 24 Becher, die allerdings nicht verkäuflich waren, im Hausmüll landeten. Die Beschädigung der Kartons lässt sich den zur Gerichtsakte überreichten Lichtbildern entnehmen.

Nach Art. 18 Abs. 2 b) des Montrealer Übereinkommens bzw. § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB liegen die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nicht vor. Danach ist der Frachtführer von seiner Haftung u.a. befreit, soweit der Verlust oder die Beschädigung auf eine ungenügende Verpackung durch den Absender zurückzuführen ist. Nach§ 411 HGB hat der Absender das Gut so zu verpacken, dass es vor Verlust und Beschädigung geschützt ist und dem Frachtführer keine Schäden entstehen. Ferner besteht für den Absender eine Kennzeichnungspflicht. Die Kl. hat hierzu in erster Instanz lediglich vorgetragen, dass die vorgefundenen Schäden an der Verpackung und eine teilweise Durchnässung zum einen nicht in ihrem Gewahrsam, sondern während des Transportflugs erfolgt seien, zum anderen die Becher ungenügend verpackt gewesen seien. Sie beschränkt sich weiter darauf, dass anhand der Lichtbilder zu erkennen sei, dass eine für den Transport offensichtlich ungenügende Verpackung der Sendung erfolgt sei. Diese Ausführungen sind viel zu unsubstantiiert, um einen Haftungsausschluss wegen ungenügender Verpackung begründen zu können. Die Bekl. hat demgegenüber nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei der Verpackung um eine Standard-Export-Karton-Verpackung gehandelt habe, die im internationalen Frachtverkehr gängig und an der Tagesordnung sei. Soweit die Kl. in der Berufung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag einwendet, die Ware sei deshalb nicht ordnungsgemäß verpackt gewesen, weil die obere Reihe nicht mit einer Plastikhülle abgedeckt gewesen sei und es keiner besonders starken Luftfeuchtigkeit bedurft habe, um eine Durchnässung der Kartons herbeizuführen, ist dies zum einen wenig aussagekräftig, zum anderen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet. Die Kl. hätte bereits in erster Instanz konkret darlegen müssen, warum die Verpackung ungenügend war und eine Standard-Export-Karton-Verpackung nicht den Anforderungen genügte. Hierfür genügt nicht der Hinweis der K.l. auf ein Schreiben der E vom 23. 1. 2008, wonach die Verpackung nicht ausreichend fest gewesen sei und nicht den internationalen Vorschriften entsprochen habe. Die Kl. hat als Frachtführer die Beweislast dafür, dass die transportierte Ware ungenügend verpackt und der eingetretene Schaden kausal auf einer ungenügenden Verpackung beruht (Koller, Art. 18 MÜ, R. 7). Diesen Beweis hat sie nicht erbracht.

Das Landgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Bekl. der Schaden in Höhe von 6.703,33 € entstanden ist. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Rechnung der Fa. A über 6.140,40 € vom 5. 5. 2008, die die Kosten für die Qualitätskontrolle, die Fracht der 1.109 aussortierten Becher und die Verpackung betrifft und dem Wert bzw. Einkaufspreis der Becher in Höhe von 562,93 €. Das Landgericht hat lediglich den Ersatz von Entsorgungskosten in Höhe von 509,36 € nicht zugesprochen.

Die Berufung der Kl. greift ohne Erfolg, den vom Landgericht in Ansatz gebrachten Wertverlust der 1.109 aussortierten Becher an. Die Bekl. hat den Wert eines Bechers mit, 0,72 $ angesetzt, daraus einen Schaden von 798,48 $ bzw. 573,28 € berechnet. Die Kl. hat ausgehend von einem Schadensbetrag von 798,76 $ umgerechnet einen Schaden von 516,62 € ermittelt. Der von der Bekl. in Ansatz gebrachte Umrechnungskurs von aufgerundet 0,72 €/USD ist nicht zu beanstanden. Die Kl. selbst hat den Wert eines Bechers mit 0,7202 €, ausgehend von dem Schreiben der F Limited vom 25. 4. 2008 angegeben. Danach ergäbe sich ein Schadensbetrag von 798,70 € bzw. 575,06 €, der höher liegt als der vom Landgericht zugesprochene Betrag.

Das Landgericht hat zu Recht der Bekl. einen Ersatzanspruch für die Kosten der Schadensfeststellung in Höhe von 6.140,40 € zugesprochen. Gemäߧ 430 HGB hat der Frachtführer bei Verlust oder Beschädigung des Gutes die Kosten der Feststellung des Schadens zu tragen. Die Kosten ergeben sich aus der Anlage K 3. Ausweislich des Buchungsstempels vom 21. 5. 2008 ist der von der Fa. A in Rechnung gestellte Betrag von der Bekl. bezahlt worden. Angriffe hiergegen werden von der Kl. nicht erhoben.

Soweit die Kl. im Berufungsverfahren geltend macht, dass die Schadensfeststellungskosten gemäߧ 430, 431 HGB, 254 Abs. 2 BGB nicht in unbegrenzter Höhe geltend gemacht werden können und die entstandenen Kosten deshalb nicht in voller Höhe zu erstatten seien, weil die Schadensfeststellungskasten sich auf das 10-fache des angeblichen Schadens beliefen, verfängt dieser Angriff nicht. Die Kl. hat in erster Instanz bestritten, dass eine Kontrolle der gesamten Sendung erforderlich gewesen sei und der Endkunde die Fa. A hierzu beauftragt hatte. Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Da ca. 1/4 der Ware der Kartonage beschädigt war, war es sachgerecht auf Veranlassung des Kunden sämtliche Kartonagen mit dem Inhalt von 22.000 Becher zu überprüfen.

Die Haftungshöchstgrenze gemäß Art. 22 Abs. 3 des Montrealer Übereinkommens ist bei weitem nicht erreicht. Die Haftung ist begrenzt auf maximal 17 Sonderziehungsrechte pro kg. Laut Frachtschadensfeststellung betrug das Gesamtgewicht 5.420 kg. Ausgehend von 200 beschädigten Kartons beläuft sich das Gewicht der beschädigten Ware auf 1.300 kg (5.420 kg x 200: 834). Der Wechselkurs der Sonderziehungsrechte wird täglich neu berechnet. Laut der Tabelle der Transport-Informationsservice vom 12. 6. 2009 stand der Kurs für ein Sonderziehungsrecht bei 1,10221 €. Dies führt zu einer Haftungshöchstgrenze von 24.358,84 € (1,10221 € x 17 x 1.300 kg). Dieser Betrag ist bei weitem nicht erreicht. Entgegen der Auffassung der Kl. in der Berufung ist der Haftungshöchstbetrag nicht auf den Wertverlust der beschädigten Becher in Höhe von 516,62 € bzw. 562,93 € (so Landgericht) beschränkt. Es handelt sich bei letzteren Beträgen nur um den Wert der aussortierten Becher, nicht aber um die Haftungshöchstgrenze.

Der Bekl. ist auch kein Mitverschulden anzulasten (§ 254 BGB), weil die Bekl. keinen Nachweis über die Vernichtung der aussortierten 1.109 Becher vorgelegt hat, die Fa. E aber nach Schadensmeldung durch die Kl. einen Nachweis über die Vernichtung verlangte. Die Bekl. konnte diesen Nachweis nicht erbringen, da die Becher über den Hausmüll entsorgt wurden. Die Kl. hat nicht dargelegt, dass die Fa. E unter diesen Umständen tatsächlich keinen Ersatz leisten musste.

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